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Von wegen stille Kündigung ‒ was “Quiet Quitting” wirklich bedeutet

Quiet Quitting, die Stille Kündigung? Eher "Dienst nach Vorschrift"

22. November 2022 · 7 Min. Lesezeit · HRworks Redaktion

Arbeitskräfte werden händeringend gesucht – das ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass die wenigen verfügbaren Fachkräfte sich immer häufiger einem neuen Trend aus den USA anschließen: dem Quiet Quitting. Im Netz schlagen Arbeitgeber Alarm und warnen vor den wirtschaftlichen Folgen. Doch warum ist die “stille Kündigung” überhaupt auf dem Vormarsch? Was genau bedeutet “Quiet Quitting” wirklich und wie stoppen Unternehmen diesen Trend?

Definition von Quiet Quitting auf Deutsch – Quiet Quitting, was ist das?

Quiet Quitting heißt wörtlich übersetzt “stille Kündigung”. Allerdings hat der Begriff nichts mit einer inneren oder tatsächlichen Kündigung zu tun. Er bezeichnet das sukzessive Herausziehen aus berufsbedingten Extraaufgaben, die nicht vertraglich festgelegt sind. Und bedeutet somit schlicht Dienst nach Vorschrift zu tun – und nichts darüber hinaus.

Gestartet ist dieser Trend wie auch sein Vorgänger, die Great Resignation oder auch “The Big Quit”, in den USA. Er geht besonders von Millennials aus, was auf eine grundsätzlich veränderte Arbeitsmoral der Gen Z schließen lässt. Die Identifikation mit beruflichen Aufgaben und das Engagement für den Arbeitgeber nehmen ab – beziehungsweise gesunde Maße an. Beschäftigte verbringen ihre Freizeit nicht länger mit Kollegen, indem sie gemeinsam Überstunden leisten oder eine After-Work-Party besuchen. Sondern sich bevorzugt mit Familie, Freunden oder anderen Aspekten in ihrem Leben beschäftigen, die ihnen zunehmend wichtig sind.

“Stille Kündigung”: Was ist die Bedeutung für Unternehmen?

Mit der steigenden Wichtigkeit der Work-Life-Balance sowie dem Wunsch nach Vereinbarkeit von Arbeit und Familie nimmt der Trend des Quiet Quitting zu. Für Unternehmen bedeutet er: Angestellte gehen nach Hause, wenn sie die vertraglich festgelegten Arbeitsstunden geleistet haben. Sie machen keine Überstunden, erledigen nur die dringendsten Aufgaben und denken auch nicht über ihre Position hinaus mit. E-Mails oder andere Nachrichten lesen oder beantworten Beschäftigte nach Feierabend nicht mehr.

Die Folgen von Quiet Quitting im Job

Da sich Angestellte nach dem pünktlich eingeläuteten Feierabend nicht weiter mit dem Unternehmen beschäftigen, bleiben wichtige Impulse aus. Zudem dauern Prozesse länger, da Beschäftigte in ihrer Freizeit nicht erreichbar sind. Auch gibt es weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf potenzielle Probleme aufmerksam machen, von sich aus Verbesserungsvorschläge einbringen oder andere bei deren Aufgaben unterstützen. Nicht zuletzt tun sie ihren Chefs oder Kollegen keine arbeitsbezogenen Gefallen mehr. In vielen Unternehmen entsteht daher ein wachsendes Vakuum an unerledigten Tätigkeiten.

Arbeitgeber fürchten die stille Kündigung

Die passive Arbeitshaltung schadet Unternehmen weltweit. Arbeitgeber stellen bereits fest, dass immer mehr Arbeit liegen bleibt. Und erleben, dass dieser Trend durch Social Media weiter befeuert wird – besonders von der so wichtigen Arbeitnehmergruppe, der Gen Z. Fest steht: Die Zeit, in der Arbeitnehmer ihre mentale Gesundheit vernachlässigen, um Unternehmensziele zu erreichen, ist vorbei.

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Gibt es Quiet Quitting in Deutschland?

Auch in Deutschland existiert dieses Phänomen. Gründe dafür sind neben der angestrebten Work-Life-Balance die Kompensation von zunehmendem Stress bei der Arbeit. Häufige Ursachen sind der Fachkräftemangel sowie der daraus resultierende knappe Personalschlüssel.

Neben dem steigenden Burnout-Risiko, das laut Gallup Engagement Index von 2018 bis 2021 um 12 % gewachsen ist, sinkt der Stellenwert von Arbeit. Der Faktor Familie hat ihr längst den Rang abgelaufen. Dazu kommen gesellschaftsrelevante Themen wie Entspannung, Entschleunigung oder der Trend, Grenzen zu setzen. Diese Punkte beschäftigen besonders junge Angestellte. Umstände wie die Geburt eigener Kinder, Krankheit, Trennung oder auch Krisen wie die Coronapandemie begünstigen die Definition neuer Lebensziele.

Stille Kündigung als Ausweg aus dem Hamsterrad

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten nicht nur keine Mehrarbeit mehr, um Überarbeitung zu vermeiden. Vielen fehlt auch schlicht die Zeit dazu. Andere stellen zunehmend fest, dass es ihre Bedürfnisse eher befriedigt, wenn sie ihre Kinder fördern, statt eine Extraschicht zu übernehmen. Der gesellschaftliche Fokus verschiebt sich derzeit in Richtung Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und darauf, Verantwortung für sich und das eigene Handeln zu übernehmen. Es findet also ein Umdenken statt, das Zeit kostet und Bereiche wie gesunde Ernährung und den bewussten Umgang mit dem eigenen Körper umfasst. All das ist mit ungeplanten Nachtschichten im Büro nicht vereinbar.

Positive Anreize gegen die stille Kündigung

Unternehmen brauchen Angestellte, die mitdenken, etwas bewegen wollen und echten Einsatz zeigen. Um dies zu erreichen, versucht die Abteilung für Human Resources eine leistungsorientierte Arbeitskultur zu gestalten. Allerdings eine, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gern mehr geben, ohne sich dabei ausgebeutet zu fühlen. Dazu schaffen sie folgende Rahmenbedingungen:

  • Mehr Geld: Um die Inflation und die nötige Mehrarbeit durch den steigenden Fachkräftemangel auszugleichen, ist eine faire Bezahlung Pflicht.
  • Mehr Wertschätzung: Angestellte wechseln den Job, wenn er ihnen nicht gefällt oder sie nicht weiterbringt. Wer also Mitarbeiter halten will, muss honorieren, dass sie ihre wertvolle Lebenszeit für das Unternehmen aufbringen. Dabei hilft eine lebendige Feedbackkultur, die ganz nebenbei den Zusammenhalt unter den Kolleginnen und Kollegen stärkt.
  • Mehr Pausen: Die Konzentrationsspannen werden immer kürzer. Allerdings erfordert die Arbeit viel Konzentration, die Menschen in Zeiten von KI noch verrichten. Daher ist es wichtig, ihnen zu erlauben, eine sogenannte Pausenkultur in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Denn eine Mittagspause reicht längst nicht aus, um sich davor und danach jeweils vier Stunden am Stück zu konzentrieren.
  • Mehr Erholung: Erholung, Entspannung und Stressreduktion sind aktuelle Themen für jeden Angestellten. Viele Unternehmen bieten daher Sportkurse, Massagen oder Ähnliches an, um ihnen entgegenzukommen.
  • Mehr Freiheit: Den Arbeitsalltag nach individuellen Bedürfnissen zu gestalten, ermöglicht es Mitarbeitern, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Und mehr noch: Die Arbeit auf ihre eigene Weise und somit gern zu erledigen.
  • Mehr Kreativität, mehr Abwechslung und mehr persönliche Weiterentwicklung: Zu Gelegenheiten wie dem Mitarbeitergespräch erfahren Personalerinnen und Personaler mehr über individuelle Ziele, Interessen und Bedürfnisse ihrer Angestellten. Dabei ist es wichtig, dass HR-Manager diese Anliegen ernst nehmen und unterstützen – denn Missachtung oder Langeweile im Job führen schnell dazu, dass Mitarbeiter nur noch das Nötigste tun.
  • Mehr Flexibilität: Viele Beschäftigte arbeiten gerne in Ruhe. Also genau dann, wenn keine E-Mails mehr eingehen, kein Kollege etwas besprechen möchte oder ein Meeting den kreativen Prozess unterbricht. Bieten Arbeitgeber ihren Angestellten Remote Work oder Hybrides Arbeiten an, profitieren sie in der Regel von einem deutlich höheren Output.
  • Mehr Team: Ein eingespieltes Team kennt die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Mitglieds. Kolleginnen und Kollegen verteilen die Aufgaben dementsprechend – und erledigen sie ganz ohne Überstunden. Basis für eine solch gesunde Arbeitskultur ist eine positive Employee Experience sowie eine gelungene Teamentwicklung. Sie sorgt dafür, dass sich Mitarbeiter wohl fühlen und bereit sind, mehr für ein Unternehmen zu tun als zwingend notwendig.

Wer mehr will als Dienst nach Vorschrift, muss mehr bieten

Eine der Maximen der jüngeren Generationen – allen voran der Gen Z – besteht darin, dass Angestellte für den Beruf nicht auf ein erfülltes Privatleben verzichten. Immer mehr Beschäftigte zeigen ihren Arbeitgebern Grenzen auf und fordern Selbstverständliches ein: faire Bezahlung, festgelegte Arbeitszeiten, Pausen und nicht zuletzt ein angenehmes, offenes und kreatives Arbeitsklima.

Quiet Quitting ist ein auf unserer schnelllebigen Welt begründeter Trend und wird aufgrund der guten Arbeitsmarktlage für Arbeitnehmer weiter befeuert. Um motivierte und engagierte Arbeitskräfte zu finden und zu binden, müssen Unternehmen längst mehr bieten als ein festes Gehalt. Beispielsweise einen zeitgemäßen Purpose, der Angestellte im Inneren antreibt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten aber auch lebendiger Teil des Betriebes sein und ihn aktiv mitgestalten. Für Arbeitgeber bedeutet dies, nicht länger auf Überstunden zu bauen. Sondern ihre Unternehmenskultur so zu gestalten, dass diese nicht mehr nötig sind oder zur Ausnahme werden.

Im Gegensatz zu Quiet Quitting leider kein Trend: Quiet Firing

Im Zusammenhang mit Quiet Quitting taucht inzwischen auch immer wieder der Begriff “Quiet Firing” auf. Beim “stillen Feuern” arbeiten Führungskräfte subtil darauf hin, unliebsame Mitarbeiter dazu zu bringen, von selbst zu kündigen. Und zwar nicht, indem sie aktiv gemobbt werden. Vielmehr teilen die Verantwortlichen den Betroffenen keine interessanten Aufgaben mehr zu, verweigern ihnen Gehaltserhöhungen und grenzen sie auch sonst zunehmend aus ihrem Team aus. Beispielsweise, indem sie diese Mitarbeiter nicht mehr zu Meetings einladen. Im Gegensatz zum Quiet Quitting handelt es sich beim Quiet Firing jedoch nicht um einen neuen Trend, sondern vielmehr um einen neuen Namen für ein altbekanntes Phänomen. Unternehmen, die zu solchen Maßnahmen greifen, dürfen sich dann aber auch nicht wundern, wenn Quiet Quitting bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Regel wird.

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