HR · Lohn und Gehalt

New Pay: Neue Wege in der Vergütung?

Bei New Pay geht es darum, Gehaltsmodelle neu zu denken

24. April 2024 · 8 Min. Lesezeit · HRworks Redaktion

Spätestens seit der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz beschäftigen sich Firmen mit New Pay. Doch was steckt hinter dem Trend, der Gehaltsmodelle modernisieren will? Wie viel von dem, was heute unter New Pay verstanden wird, ist wirklich neu? Und wie wirkt sich der New-Pay-Gedanke auf Vergütungsstrukturen, -kriterien und -prozesse aus?

New Work gilt inzwischen als das New Normal der Arbeitswelt. Gemeint ist ein agiles Arbeitsmodell, das von Selbstbestimmung, flachen Hierarchien ebenso wie von örtlicher und zeitlicher Flexibilität geprägt ist. Die eigene Wahl des Arbeitsortes ersetzt vielfach starre Bürostrukturen – und auch die klassische Fünf-Tage-Woche ist längst nicht mehr omnipräsent. Gearbeitet wird, wann und wo es den Bedürfnissen von Unternehmen und Mitarbeitern entspricht.

Logisch weitergedacht, prüfen nun viele Organisationen im Zuge der New-Work-Modernisierung auch alternative Vergütungsmodelle. Die Überlegungen dazu kommen im Vergleich zur Vergangenheit weniger von außen an die Firmen heran, sondern wachsen in vielen Unternehmen in Übereinstimmung mit ihrer Kultur und ihren Werten. Diese Entwicklung trägt dem Kollaborationsgedanken der modernen Arbeitswelt Rechnung: Etwa indem sich Boni und Sonderzahlungen viel stärker als bisher an Teamleistungen und -zielen orientieren – und weniger an den Ergebnissen einzelner Mitarbeiter und an verhandelten Gehältern.

New Pay laut Definition: Gehaltsmodelle neu gedacht

Fairness und Wirtschaftlichkeit werden im New-Pay-Kosmos großgeschrieben. Hinter dem Begriff New Pay steht unter anderem der Gedanke, dass eine hierarchische Top-Down-Vergütungsentscheidung nicht mehr zeitgemäß ist. Selbiges gilt für eine klare Korrelation von Arbeitszeit und Gehalt. Auch am Erfolg und Gewinn sind die Mitarbeiter dem New-Pay-Gedanken folgend stärker beteiligt. Dabei steht Transparenz im Mittelpunkt.

Die Annahme dahinter ist: Mitarbeiter, die verstehen, wie sich die Gehaltsstrukturen einer Organisation zusammensetzen und wie Vergütungen für bestimmte Rollen zustande kommen, sind motivierter und neigen weniger dazu, Gehälter in Frage zu stellen. Wenn Angestellte an der Definition von vergütungsrelevanten Zielen beteiligt sind, fällt es ihnen leichter, die Zielerreichung und Anreize nachzuvollziehen.

Die Ursprünge des New-Pay-Modells

Bereits 2017 begann eine Gruppe um die Autoren und Berater Nadine Nobile, Stefanie Hornung und Sven Franke, sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Arten von Vergütung einer kollaborativen Arbeitswelt gerecht werden. Sie forschten daran, ein passendes Modell zur Gehaltsfindung zu identifizieren. Dabei besuchten Nobile, Hornung und Franke Unternehmen, um herauszufinden, wie diese das Thema Vergütung intern organisierten und gestalteten.

„Keine Blaupause und kein New-Work-Entgeltsystem“

Schnell kamen die Autoren zu dem Schluss, dass es „den einen“ Ansatz für alle Organisationen, die sich New Work auf die Fahnen geschrieben hatten, nicht gab. Vielmehr ging es darum, Denkanstöße zu geben und das Thema Geld sprichwörtlich aus der Tabuzone herauszuholen. „Mit New Pay umschreiben wir Prozesse rund um die Entwicklung neuer Vergütungsmodelle in sich dynamisch wandelnden Organisationen. Ziel ist die Entwicklung von Ansätzen und Lösungen, die die Werte der Organisation erlebbar machen und dabei gleichzeitig auf die Zukunft ausgerichtet sind,“ so die Autoren auf ihrer Website. 2021 folgte die Gründung der Netzwerkorganisation „New Pay Collective“, die Unternehmen auf dem Weg zur New-Pay-Transformation beratend zur Seite steht.

Moderne Entlohnungssysteme: Die 7 Dimensionen von New Pay

Bei dem Versuch, trotz aller Individualität der Unternehmen bestimmte Muster herauszuarbeiten, entstanden 7 Dimensionen von New Pay. Diese Dimensionen zielen darauf ab, interessierten Unternehmen eine Hilfestellung bei der Entwicklung ihres eigenen, wertebestimmten New-Pay-Vergütungssystems geben:

  1. Partizipation: Ein neues Vergütungssystem, das partizipativ in Workshops oder fachübergreifenden Projektteams entsteht und auf einem gemeinsamen Verständnis fußt, stößt auf größere Zustimmung durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
  2. Transparenz: Dieser Punkt bezieht sich insbesondere auf das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit von Strukturen und Prozessen eines Vergütungssystems. Die Basis dafür sind Informationen, die den Mitarbeitern proaktiv zur Verfügung gestellt werden.
  3. Flexibilität: Um den Bedürfnissen sich dynamisch wandelnder Organisationen gerecht zu werden, gibt es kein starres New-Pay-System. Stattdessen werden Entscheidungen und Anpassungen flexibel in fachübergreifenden Workshops getroffen.
  4. Wir-Denken: New-Pay-Systeme basieren auf Kollaboration und Kooperation. Der Fokus liegt dabei auf der Team- und Gesamtleistung eines Unternehmens.
  5. Selbstverantwortung: Mitarbeiter haben die maximale Mitbestimmung, was ihre Leistungsbewertung und ihr Entgelt angeht.
  6. Permanent Beta (“ständige Veränderungsfähigkeit”): Unternehmen prüfen      ständig, wo sich durch Veränderungen möglicherweise Spannungs- und Handlungsfelder mit Blick auf das Vergütungssystem ergeben. Daraufhin passen sie ihre Prozesse und Kommunikation entsprechend an. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema Inflation.
  7. Fairness: New-Pay-Modelle gewähren eine maximale Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit. Hier gibt es viele Überschneidungen zur EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz, die ebenfalls darauf abzielt, Gender Pay Gaps zu vermeiden.
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Vergütung neu zu denken erfordert Kommunikation

Ohne Partizipation der Mitarbeiter geht New Pay nicht. Unternehmen, die ein New-Pay-Modell entwickeln möchten, sind gut beraten, das Vorhaben frühzeitig und klar zu kommunizieren. Ihre Mitarbeiter müssen wissen, was sich für sie ändern wird – und warum. Das fördert die Mitarbeiterzufriedenheit. So ersetzen neue Konzepte starre Modelle.

Das proaktive Hinterfragen etablierter Vergütungsprozesse kann eine große Chance sein, erfordert jedoch transparente interne Kommunikation, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Leistung muss messbar gemacht werden. Andernfalls bewerten Vorgesetzte sie subjektiv, sodass die Belegschaft die neuen Modelle ablehnt. Wichtige Fragestellungen, die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern klären sollen, beinhalten:

  1. Die eigene Perspektive: „Wie kann ich meine Rolle verändern, um noch stärker zur Wertschöpfung des Unternehmens beizutragen?“
  2. Die Förderung des Teamgedankens: „Warum zahlt es sich für mich aus, wenn ich mit meinem Team an einem Strang ziehe?“
  3. Die Zielsetzung: „Welche Werte und Ziele hat mein Unternehmen und wie trage ich als Mitarbeiter dazu bei, sie zu erreichen?“
  4. Die Art der Vergütung: „Wie möchte ich entlohnt werden? Profitiere ich von einem höheren Bruttogehalt in gleichem Maße wie von Beteiligungsprogrammen und alternativen Anreizen, darunter Freizeit- und Sportmöglichkeiten?“

Wenn Unternehmen wissen, was ihre Mitarbeiter sich in puncto Vergütung wünschen, fällt es ihnen leichter, neue Vergütungssysteme zu entwickeln.

New-Pay-Beispiele von Vergütungsmodellen

Wie eine Organisation ein New-Pay-Modell entwickelt, hängt in hohem Maße von der Organisation, ihrer Struktur und ihren Werten ab. Während einige Unternehmen auf volle Transparenz der Betriebseinnahmen, -ausgaben und der Gehälter setzen, ist dies für andere Organisationen allein aus Datenschutzgründen undenkbar.

Im Internet gibt es Beispiele von Firmen wie Flash Hub, die einzelne Teams wie eigene wirtschaftliche Organisationen betrachten und funktionsübergreifend Dienstleistungen nachfragen und vergüten. Läuft es für ein Team nicht so gut, kann es bei einem anderen einen Kredit beantragen. Die Mitarbeiter selbst entscheiden, ob eine solche Finanzierungshilfe gewährt wird oder im Zweifel sogar Entlassungen folgen müssen. Das kann – muss aber selbstverständlich nicht – für alle Organisationen funktionieren.

Die Initiatoren von New Pay betonen immer wieder, dass die Wertestimmigkeit bei der Entwicklung eines modernen Vergütungssystems eine entscheidende Rolle spielt. Ein Unternehmen etwa, das sich Kollaboration, Transparenz und Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, lebt diese Werte optimalerweise auch im Rahmen eines entsprechenden Entgeltsystems. Die Entwicklung eines solchen Systems erfolgt kollaborativ und crossfunktional – hier sitzen zum Beispiel Betriebsrat, HR-Abteilung, Payroll-Management, Geschäftsführung und andere Mitarbeitergruppen stellvertretend in Workshops zusammen.

Diese Kritik gibt es an New Pay

„Wenn alle dasselbe verdienen, strengt sich doch keiner mehr an“ – immer wieder ist im Kontext von New Pay von Einheitsgehältern die Rede. Zwar gibt es durchaus Organisationen, die ein einheitliches Gehalt mit teambasierten Boni kombinieren. In der Praxis gehe es nach Aussage der Autoren Hornung, Nobile und Franke jedoch viel mehr darum, Vergütungsprozesse und Rollen transparent nachvollziehbar zu machen. Mitarbeiter, die wüssten, warum eine Rolle für den Erfolg eines Unternehmens wichtig sei, und auf eine bestimmte Art vergütet würde, könnten auch die eigene Funktion und Entwicklung anders einschätzen.

Gehaltstransparenz: Wie viel Offenheit ist sinnvoll und nötig?

“Gehaltstransparenz schürt Neid” – Die Annahme, dass Mitarbeiter hauptsächlich an den Gehältern ihrer Kollegen interessiert sind, stellt sich nach Ansicht der New-Pay-Initiatoren als Trugschluss heraus. Wenn Mitarbeiter verstünden, wie diese Gehälter zustande gekommen seien, zeige sich, dass Neid weniger eine Rolle spiele. Sinnvoller, als die Offenlegung einzelner Gehälter, sei zum Beispiel die transparente Kommunikation von Gehaltsstufen, deren Rollenvoraussetzungen und den Möglichkeiten, diese zu erreichen.

Auch die These, dass es in einem New-Pay-Kosmos keine vergütungsrelevanten Differenzierungsmerkmale mehr gäbe, scheint sich in der Praxis nicht zu bewahrheiten. Ein Einheitsgehalt würde von den meisten Menschen als „unfair“ wahrgenommen, so die Initiatoren von New Pay. Vielmehr dienten gelebte Unternehmenswerte als Richtschnur für Vergütungsparameter. So könne zum Beispiel statt einer prozentualen Erfolgsbeteiligung ein projektbezogener Bonus ausgezahlt werden – an das ganze Team.

New Pay muss zum Unternehmen passen

Es gibt nicht „das eine“ New-Pay-Vergütungsmodell. Wichtiger ist, dass Unternehmen ein Modell entwickeln, das zu ihrer Firmenkultur und ihren Unternehmenswerten passt. Dennoch einen die Dimensionen Transparenz, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken, Fairness, Selbstverantwortung und Agilität (auch “Permanent Beta”) New-Pay-orientierte Vergütungssysteme.

Dabei sind nicht alle diese Elemente, die ein New-Pay-Modell auszeichnen, für sämtliche Organisationen neu. Vielmehr geht es im New-Pay-Kontext um Agilität und Sensibilität – Unternehmen, die wissen, welche Themen ihre Mitarbeiter beschäftigen, können konkret auf diese eingehen und aktiv kommunizieren. Sie können erklären, warum beispielsweise ein Inflationsausgleich gezahlt wird, in welchem Turnus dies geschieht und wie Mitarbeiter Einfluss auf ihre Vergütung nehmen.

Welches Potenzial dieses individuelle Gehaltsmodell der Zukunft tatsächlich hat, hängt von zahlreichen Kriterien ab. Darum ist es wichtig, Vergütungsstrukturen, -kriterien und -prozesse regelmäßig zu hinterfragen und transparent zu kommunizieren.

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