Eine neue Chance: Wie Sie Mitarbeiter nach Renteneintritt weiterbeschäftigen
In den kommenden Jahren werden etwa 7 Millionen ältere Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt den Rücken kehren und in Rente gehen. Es werden jedoch nicht genug Jüngere nachrücken. Zeit für HR, den Silver Workern attraktive Möglichkeiten zu bieten, sich auch im Rentenalter noch bei ihren Arbeitgebern einzubringen. Denn die gute Nachricht ist: Ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland will weiterarbeiten.
Silver Ager laut Definition: Wer zählt zu den Silver Agern?
Silver Ager werden auch als Best Ager oder Golden Ager bezeichnet. Die Begriffe stammen aus dem Marketing, das diese für die Zielgruppe der Menschen ab dem vollendeten 50. Lebensjahr verwendet. Anders als jüngere Generationen verfügen Silver Ager über fundierte Lebens- sowie Berufserfahrung sowie solide finanzielle Ressourcen.
Der Ruhestand im Wandel: Neue Möglichkeiten für HR
Im Gegensatz zu früher sind Menschen im Alter gesünder, sie leben länger und sie wollen oft auch nach dem Renteneintritt weiter aktiv im Arbeitsmarkt mitmischen. Mitgestalten statt Rückzug lautet also die Devise. Deshalb hat sich zu dem Begriff „Ruhestand“, der eine Phase der Passivität suggeriert, auch der quirligere Name „Unruhestand“ gesellt. Denn der Übergang in diese Lebensphase fühlt sich für viele Pensionäre nicht so klar definiert an, wie das der staatlich festgesetzte Rentenbeginn suggeriert: In Deutschland liegt dieser zwischen 63 und 67 Jahren, je nach Geburtsjahr und Versicherungszeiten. Seit 2012 wurde das gesetzliche Eintrittsalter schrittweise erhöht – mit ein Grund, weshalb die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen in den letzten 10 Jahren von 47 Prozent (2012) auf 63 Prozent (2022) angestiegen ist.
Aber auch nachdem sie ihr Renteneintrittsalter erreicht haben, arbeiten immer mehr Arbeitnehmer weiter. Im Jahr 2012 arbeiteten 11 Prozent der 65- bis 69-Jährigen, 2022 lag der Anteil bereits bei 19 Prozent. Laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung sind rund 1,35 Millionen der 18,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner erwerbstätig. Stellt sich nun die Frage: Warum ist das so? Ist es für sie notwendig, um ihre Rente aufzubessern? Oder machen sie dies, um diese Lebensphase aktiver zu gestalten?
Das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) hat in einem noch laufenden Projekt mit der Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden: Rund ein Drittel der befragten arbeitenden Rentner sagt, dass sie den Lohn zum Leben brauchen. Der Rest hat also andere Gründe und auch andere Gestaltungsoptionen im Kopf.
Was HR tun muss: Angebote für Ältere schaffen
Die emeritierte Schweizer Psychologieprofessorin Pasqualina Perrig-Chiello hatdie verschiedenen Gründe für den Wunsch, im Ruhestand aktiv zu bleiben, untersucht und zeigt in ihrem Buch Own your Age 4Gestaltungsmöglichkeiten der Rentenzeit auf: Es gibt erstens die Gruppe, die diese Phase als Befreiungsschlag sieht und sich tatsächlich Ruhe wünscht. Dann jene, die Dinge nachholen wollen – indem sie zum Beispiel mehr Zeit für die Familie haben sowie sich mit Reisen, Bildung und Kultur beschäftigen. Drittens wollen sich auch viele sozial und bürgerschaftlich engagieren. Und dann gibt es noch diejenigen, die weiterarbeiten müssen oder es eben schlicht wollen. Vor allem betrifft das freiwillige Weitermachen laut der Psychologin Selbstständige und Menschen mit einer höheren Bildung. Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft bestätigt: Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulausbildung sowie Führungskräfte stehen dem Weiterarbeiten Ü65 offener gegenüber als Personen, auf die das nicht zutrifft.
Und hier liegt die Chance für HR. Denn Silver Worker im Arbeitsmarkt zu halten, ist angesichts des demografischen Wandels eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Dies ist eine Chance für Unternehmen, dem Fachkräftemangel die Stirn zu bieten.
Mit diesen Maßnahmen gelingt es, eine inklusive Unternehmenskultur schaffen
Personaler sollten also Übergänge aktiv gestalten, statt sie dem Zufall zu überlassen. Die Frage ist nämlich nicht – wie oft gestellt: Wie locken wir die Generation Z ins Unternehmen? Sondern: Wie schaffen wir ein Arbeitsumfeld, das Altersvielfalt wertschätzt? Die wichtigsten Maßnahmen für eine inklusive Unternehmenskultur bestehen unter anderem darin:
- Das Generationenverständnis überdenken: Das Verständnis über die verschiedenen Generationen ist von Mythen und Stereotypen geprägt, die auch die HR-Arbeit beeinflussen. Studien zeigen allerdings, dass die Unterschiede gar nicht so eklatant sind, wie mitunter beschrieben. Zielführender ist es demzufolge, auf die Lebensphase zu schauen, in der sich Personen befinden – und zum Beispiel Silver Careers strategisch zu planen. Das ist notwendig, um auch die Menschen zu erreichen, die aktuell nicht nach dem Renteneintritt weiterarbeiten wollen.
- Alt heißt nicht unglücklich: Die Psychologin Perrig-Chiello räumt in Own Your Age mit einem weitverbreiteten Vorurteil auf: Die Jugend nimmt laut ihr häufig an, im Alter gehe es dem Menschen schlechter. Mittlerweile sei allerdings nachgewiesen, dass das psychische Wohlbefinden im Alter nicht abnehme, sondern sich eher auf einem höheren Niveau stabilisiere. Das liege auch daran, dass ältere Menschen durch ihre Lebenserfahrung besser wüssten, wie sie mit Widrigkeiten umgehen. Diese Gelassenheit und Widerstandsfähigkeit ist für Unternehmen wertvoll.
- Altersdiskriminierung verhindern: Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen 20 und 50 Prozent der über 50-Jährigen am Arbeitsplatz diskriminiert werden. Das beginnt schon damit, dass sie nicht mehr so engagiert weitergebildet werden wie die jüngere Generation, oder dass die Vorgesetzten sie nicht mehr mit wichtigen Aufgaben bedenken.
- Wissensmanagement durch Mentoring-Programme: Beim Mentoring profitieren jüngere Mitarbeiter von der Erfahrung und dem Wissen der Silver Worker. Gleiches gilt auch andersherum: Im Reverse Mentoring lernen die älteren Semester vom Nachwuchs. Durch solche Maßnahmen sowie Job-Tandems oder Job Shadowing entsteht ein wahres Miteinander.
- Arbeitnehmer rechtzeitig sensibilisieren: Viele Menschen beschäftigen sich nicht ausreichend mit der Rentenphase, die kommen wird – auch wenn sie sich aktuell noch fit und jung fühlen. Hier hilft es, mit Coachings und Veranstaltungen gegenzusteuern. Wirklich ernsthaft sollten Human-Resources-Mitarbeitermit den Angestellten ihres Unternehmens rund 3 bis 5 Jahre vor ihrem Renteneintrittsalter in Kontakt treten.
- Mehrere Touchpoints in der Kommunikation festlegen: Viele Ruheständler brauchen nach dem Eintritt in die Rente ein paar Monate, bis sie merken, dass reduziertes Weiterarbeiten für sie attraktiv sein könnte. Daher empfiehlt es sich für HR, das Angebot zur Weiterbeschäftigung an ausgeschiedene Mitarbeiter zu erneuern, nachdem sie 8 bis 10 Monate im Ruhestand waren. Und: Dadurch, dass die Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten zum Januar 2023 aufgehoben wurden, ist eine Erwerbstätigkeit im Alter nun finanziell deutlich attraktiver – nun auch für Rentner im Vorruhestand.
- Diskriminierungsfrei einstellen: Für eine inklusive Kultur solltenUnternehmen ihre Recruiting-Strategien um Erkenntnisse aus dem Diversity Management bereichern. Dazu gehört auch, vermehrt ältere Personen einzustellen und ihnen ebenso wie ihren jüngeren Kollegen flexible Arbeitszeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Das erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit und vertieft die Mitarbeiterbindung, sodass diese Personen ihre Rentenphase dann auch bei ihrem entsprechenden Arbeitgeber planen.
- Flexibel sein: Befragungen zeigen, dass die meisten Ruheständler nicht zu einem trubeligen 8- bis 10-Stunden-Tag zurückwollen. Die Mehrheit möchte sich flexibel einbringen. Darauf sollte HR eine Antwort haben.
Diese Arbeitsrechtliche Vorgaben gelten
Wer Silver Ager einstellen und Silver Careers ermöglichen möchte, sollte allerdings einige arbeitsrechtliche Vorgaben im Blick behalten. HR-Verantwortliche haben dabei die Wahl zwischen 3 Varianten:
1) Renteneintritt und Arbeitsvertrag: Das Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch mit dem Rentenalter, außer es gibt eine Klausel im Tarif- oder Arbeitsvertrag, beziehungsweise eine Betriebsvereinbarung, die diesen Punkt regelt.
2) Den Beendigungszeitpunkt zeitlich hinausschieben: Arbeitgeber und Mitarbeiter können während des laufenden Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbaren, dass dieser Zeitpunkt verschoben wird – auch mehrfach. Gegebenenfalls muss der Betriebsrat einbezogen werden.
3) Neueinstellung: Werden ehemalige Arbeitnehmer aus der Rente zurückgeholt, ist das eine Neueinstellung. Dann gelten allgemeine Befristungsregelungen. Dass die Person Altersrente bezieht, ist laut BAG übrigens kein Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsvertrags.
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