Künstliche Intelligenz im Personalwesen: So verändern ChatGPT & Co. HR
Seitdem der Chatbot ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, haben ihn bereits über 100 Millionen Nutzer ausprobiert. Damit ist das Tool die am schnellsten wachsende Verbraucher-Anwendung aller Zeiten. Menschen aus unterschiedlichsten Branchen greifen auf die Anwendung zurück – auch in der HR. Doch worin liegt der Nutzen für Künstliche Intelligenz im Personalwesen und welche Gefahren birgt sie?
Künstliche Intelligenz im Personalwesen: Status quo
Bei KI-Anwendungen handelt es sich um smarte Programme, die eigenständig Probleme lösen, für die bisher menschliche Intelligenz nötig war. Um sie zu schreiben, nutzen Entwickler Algorithmen und Modelle. Diese trainieren sie mit Datensätzen. Aus denen “lernen” die Tools, darauf basierende Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen.
Auch Personalerinnen und Personaler verwenden KI in HR. Etwa für sich wiederholende administrative Aufgaben im Recruiting, beim Pre-Employment Screening von Bewerbern oder bei der Leistungsanalyse und zur Mitarbeiterbindung. Jedoch: Eine aktuelle Studie belegt, dass Personalabteilungen KI trotz der vielen Möglichkeiten eher zögerlich einsetzen.
Was ist eigentlich ChatGPT?
ChatGPT ist ein Chatbot, dem User Fragen stellen oder Aufgaben geben. Um diese zu lösen, analysiert die KI verschiedene Datensätze und verbindet sie miteinander.
Fragt man beispielsweise “Was ist ChatGPT?” antwortet das Tool:
Inwiefern setzen Personaler ChatGPT in HR ein?
Das Tool verknüpft Worte zu Sätzen, indem es mit den wahrscheinlichsten Wortkombinationen in diesem Themenbereich antwortet. Daher eignet es sich besonders für folgende Aufgaben:
- Standardisierte E-Mails vorformulieren
- Einfache Strategien recherchieren
- Antworten zum Umgang mit Apps und Tools liefern
- Allgemeine Mitarbeiterfragen beantworten
- Struktur für Schulungen bereitstellen
- Karrieretipps geben
Anders als Suchmaschinen liefert die KI klare Antworten auf spezifische Fragen, die Usern eine allgemeine Übersicht zum Thema geben. Sind einzelne Aspekte nicht klar, können Nutzerinnen und Nutzer direkt nachhaken – wie in einem Gespräch mit einem allwissenden Gegenüber.
Was fällt beim Einsatz von ChatGPT negativ auf?
Die KI widerspricht sich in ihren Antworten, weil sie Informationen aus verschiedenen Quellen einbezieht. Außerdem antwortet der Chatbot oberflächlich und schwammig. User können demnach häufig nichts mit der Information anfangen oder müssen mehrfach “nachfragen”. Trotz bestehender Sicherheitsvorkehrungen liefert das System teilweise falsche oder irreführende Informationen. Des Weiteren kommt es vor, dass die KI beleidigende oder politisch anstößige Inhalte produziert. Zudem sind die Informationsquellen von ChatGPT veraltet: Der Wissens-Cutoff erfolgte 2021. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass Nutzerinnen und Nutzer keine sensiblen Daten in die Chatverläufe mit ChatGPT und Co. eingeben, da diese Tools sie speichern könnten.
Gibt es andere KIs, die ähnlich funktionieren?
Es gibt mehrere KI-Modelle, die wie ChatGPT auf einer Art neuronalem Netzwerk basieren und zum Generieren von Texten konzipiert sind. Die Bekanntesten sind:
- BERT: BERT steht für Bidirectional Encoder Representations from Transformers. Das Sprachmodell ist von Google entwickelt und besonders gut darin, den Kontext von Wörtern zu erschließen und darauf einzugehen.
- CTRL: Dieses KI-Modell von OpenAI ist spezialisiert darauf, Texte zu bestimmten Themen beziehungsweise Stilen zu generieren.
- GPT-2: Die von OpenAI verbesserte Version von GPT-1 verfügt über 1,5 Milliarden Parameter und erstellt Texte verschiedener Genres.
- GPT-3: Ein noch leistungsstärkeres Modell von OpenAI mit 175 Milliarden Parametern, das in der Lage ist, menschenähnliche Texte zu generieren und viele Aufgaben zu erfüllen, die bisher Menschen vorbehalten waren.
- GPT-4: Das neueste Modell von Open AI ist in der Lage, Bilder zu erkennen und darauf basierende Inhalte zu generieren – beispielsweise eine Website auf Grundlage einer Skizze. Zudem verarbeitet und erstellt die KI deutlich längere und komplexere Texte.
- T5: Dieses KI-Modell von Google ist eines der größten und komplexesten Sprachmodelle, das derzeit verfügbar ist, und besteht aus 11 Milliarden Parametern.
- XLNet: Das Transformer-Modell von Google eignet sich für viele Aufgaben, einschließlich der Sprachmodellierung und Textklassifizierung.
All diese Modelle fungieren als Chatbots, Übersetzer oder unterstützen beim Erstellen von Inhalten. Dennoch unterscheiden sie sich in Bezug auf ihre Größe, Genauigkeit und die Fähigkeit, bestimmte Aufgaben auszuführen.
Welche konkreten Vorteile bietet KI im Personalwesen?
Abseits von Systemen wie ChatGPT gibt es weitere KI-Tools, die Personalerinnen und Personaler unterstützen. Besonders in folgenden Bereichen entlasten sie die Abteilung für Human Resources:
- Automatisierung: Einer der wichtigsten Vorteile von KI im Personalwesen ist die Fähigkeit, sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren. So bearbeiten KI-gestützte Chatbots beispielsweise häufig gestellte Fragen von Mitarbeitern, damit sich die Personalverantwortlichen auf komplexere Aufgaben konzentrieren können.
- Recruiting: Spezifische KIs sorgen durch Kennzahlenanalysen dafür, dass Unternehmen die Stellenanzeige in den richtigen Kanälen schalten. Zudem beeinflusst die KI beim Programmatic Advertising, welchen Nutzern die Annoncen angezeigt wird. Beim Robot-Recruiting findet sie passende Kandidaten, die HR dann proaktiv kontaktiert. Sind Bewerbungen eingegangen, helfen KI durch People Analytics bei der Vorauswahl.
- Screening: Durch die Analyse von Lebensläufen und anderen Datenpunkten identifiziert eine KI die qualifiziertesten Kandidaten. Auf diese Weise beschleunigt sie den Einstellungsprozess.
- Auswertung von Mitarbeiterdaten: KI in HR kann das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter verbessern. Durch die Analyse ihrer Daten erkennt die KI Trends und Muster, die auf eine niedrige Arbeitsmoral oder Unzufriedenheit hindeuten. Auf dieser Grundlage gehen HR-Teams solche Probleme proaktiv an.
- Integrative Teams: KI kann Unternehmen zu mehr Diversität verhelfen. Mit unvoreingenommener Bewerberauswahl stellt die KI sicher, alle Kandidaten fair und objektiv zu bewerten, um so die Diversity im Unternehmen zu fördern.
- Personaleinsatzplanung: Künstliche Intelligenz im Personalwesen ist in der Lage, eine vorhersehbare Mitarbeiterfluktuation sowie Peak-Zeiten aufgrund von globalen Entwicklungen zu ermitteln. Dies ermöglicht es Unternehmen, langfristig zu planen und Personal entsprechend aufzustocken oder abzubauen.
Die vielfältigen Möglichkeiten von KI in HR bieten großes Potenzial, da sie Personalabteilungen Lösungen für zahlreiche ihrer aktuell größten Herausförderungen wie dem Recruiting bieten.
Welche Nachteile bringt der Einsatz von KI in HR mit sich?
Der Einsatz von KI im Personalwesen birgt jedoch auch potenzielle Nachteile. Fest steht: Eine KI ist noch nicht in der Lage, die Nuancen des menschlichen Verhaltens zu erfassen. Denn jede Nachricht verfügt neben der Sachebene über drei weitere Ebenen, die interpretiert werden müssen. Dies führt zu unzutreffenden Vorhersagen oder unangemessenen Entscheidungen. Folgende Aspekte zeigen die Schwachstellen von KI:
- Eingeschränkter Datensatz: Eine KI ist nur so gut wie der zum Training genutzte Datensatz. So können KI-Algorithmen beispielsweise bestehende Vorurteile aufrechterhalten, wenn sie mit voreingenommenen Daten (“dirty data”) trainiert wurden.
- Menschliche Rolle: Es ist bereits möglich, Bewerbungsgespräche durch Chatbots führen zu lassen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist es allerdings nicht ratsam, eine KI für solch essenzielle Aufgaben zu nutzen. Schließlich möchten Bewerberinnen und Bewerber den potenziellen Arbeitgeber kennenlernen, ein Gefühl für Arbeitsatmosphäre und Kollegen bekommen. All das kann eine KI nicht.
- Blackbox-Phänomen: Angestellte verstehen die komplexe Funktionsweise von KI häufig nur in Ansätzen. Von KI getroffene Entscheidungen können sie oftmals nicht nachvollziehen. Dies führt dazu, dass das Potenzial der Tools nicht vollständig genutzt wird und Mitarbeiter sie nicht mit weiteren Daten füttern. Diese benötigen sie jedoch, um ihre Vorhersagen zu verbessern.
- Lebenslanges Lernen: Künstliche Intelligenzen sind theoretisch in der Lage, Mimik, Gestik und Sprache von Beschäftigten zu analysieren, um daraus auf Persönlichkeitsmerkmale wie Teamfähigkeit und Belastbarkeit zu schließen. Da Angestellte jedoch nicht permanent analysiert oder bewertet werden möchten, können Unternehmen solche Modelle nicht flächendeckend einsetzen.
- Grundsätzliche Skepsis: Führen Betriebe neue technische Systeme ein, haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig Fragen, Bedenken oder Vorbehalte. Nehmen sie die Tools nicht an, sind diese in vielen Fällen wirkungslos.
- Datenschutz: Bevor eine KI Bewerber- oder Personaldaten verarbeitet, ist eine Legitimation erforderlich. Da jedoch ein Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, ist eine Einwilligung nicht zwingend freiwillig. Um daraus resultierenden rechtlichen Problemen zu entgehen, sollten Unternehmen Systeme bevorzugen, die Daten verschlüsseln und pseudonymisieren.
- Fehlende Interpretation: Besonders im Recruiting unterstützen KIs, indem sie etwa Lebensläufe mit Stellenprofilen abgleichen oder die scheinbar geeignetsten Bewerber herausfiltern. Was die KI allerdings nicht kann, ist zwischen den Zeilen zu lesen. So misst sie Erfahrungen in anderen Branchen oder Auslandsaufenthalte nicht die Bedeutung bei, die ihnen Personalerinnen und Personaler zuschreiben würden.
Künstliche Intelligenz im Personalwesen ist mit Vorsicht zu genießen
Die Analyse von Daten zu menschlichen Verhaltensweisen birgt Risiken. Um diese und weitere Unsicherheiten zu minimieren, hat der Ethikbeirat HR-Tech zehn Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz und weiteren digitalen Technologien in der Personalarbeit erarbeitet. Für Unternehmen ist es daher wichtig, dass sie in ihren KI-Algorithmen Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration berücksichtigen, die KI entsprechend trainieren und regelmäßig auf Verzerrungen überprüfen.
KI in HR unterstützt HR-Manager, ohne Menschen zu ersetzen
In der Theorie macht KI die Arbeit des Human Resources Management einfacher, schneller und objektiver. Technische Tools übernehmen sich wiederholende Aufgaben, verbessern die Auswahl von Bewerbern und schaffen integrative Einstellungspraktiken. Bei angemessenem Einsatz der KI bleibt Personalerinnen und Personalern mehr Zeit für solche Aufgaben, die von Menschen ausgeführt werden müssen. Dies wiederum steigert die Mitarbeiterzufriedenheit und kann die Fluktuationsrate senken.
Allerdings müssen sich Unternehmen der potenziellen Risiken bewusst sein, die mit KI verbunden sind – etwa dass die Tools falsche Schlussfolgerungen ziehen. Somit ist es essenziell, dass Menschen die Vorschläge der Systeme nur als Ansatzpunkt betrachten und Entscheidungen weiterhin selbst treffen.
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