Wo liegen die Grenzen des Direktionsrechts?
Doch wie weit geht das Weisungsrecht des Arbeitgebers? Mit Blick auf die Ausübung des Direktionsrechts hat auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers Grenzen. Es darf nicht gegen Gesetze, Vorschriften und anderes geltendes Recht, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers im Betrieb verstoßen.
- Das Direktionsrecht muss „billigem Ermessen“ entsprechen (§ 106 Satz 1 GewO sowie § 315 BGB), das heißt, die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind angemessen abzuwägen. In der Praxis kommt es oftmals auch auf die Umstände des Einzelfalls an. Im Falle von Herrn Müller, der in München familiär gebunden ist, wäre ein regelmäßiger Arbeitseinsatz in Hamburg zum Beispiel nicht angemessen.
- Eine Änderung grundlegender Arbeitsbedingungen, wie etwa eine dauerhafte Versetzung in ein anderes Bundesland, kann nicht einfach durch das Direktionsrecht erfolgen – hierfür wäre im Zweifelsfall eine Änderungskündigung erforderlich.
Lässt sich “nach billigem Ermessen” näher bestimmen?
Ja. Grundsätzlich bezeichnet “billiges Ermessen” ein natürliches Gerechtigkeitsempfinden. Wenn die Arbeitsbedingungen oder die Arbeitsleistung nach billigem Ermessen verändert werden sollen bzw. müssen, werden in der Praxis stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Unbillige Weisungen wären zum Beispiel Versetzungen in weit entfernte Arbeitsstätten, wenn der Mitarbeiter familiär gebunden ist. Auch die Zuweisung von Aufgaben, die nicht der Qualifikation des Mitarbeiters entsprechen oder sogar rechtswidrig sind, zählt dazu.
Beispiele für überschrittenes Direktionsrecht
Per Gesetz darf das Direktionsrecht nicht gegen anderes geltendes Recht verstoßen. Doch was sind weitere Beispiele für Fälle, in denen Arbeitgeber ihre Weisungsbefugnis überschreiten?
- Versetzung ohne sachlichen Grund an einen weit entfernten Ort: Ein Unternehmen stellt einen Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag in Berlin ein, versetzt ihn aber ohne dringenden betrieblichen Grund dauerhaft nach München. Ohne vertragliche Versetzungsklausel ist das unzulässig.
- Zuweisung völlig anderer Tätigkeiten: Eine als Buchhalterin eingestellte Person wird zur Reinigungskraft umfunktioniert, obwohl das mit ihrer Qualifikation und ihrem Arbeitsvertrag nicht vereinbar ist.
- Änderung der Arbeitszeit, ohne betriebliche Notwendigkeit: Eine Mitarbeiterin arbeitet regelmäßig im Frühdienst zwischen 6 und 14 Uhr. Kurz vor Weihnachten versetzt sie ihr Unternehmen plötzlich dauerhaft in den Spätdienst von 14 bis 22 Uhr, ohne nachvollziehbaren betrieblichen Grund.
- Anweisung zum Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften: Ein Logistikunternehmen verlangt, dass ein LKW-Fahrer Lenkzeiten überschreitet oder Pausen ignoriert. Das wäre in der Praxis nicht nur eine Überschreitung des Weisungsrechts, sondern auch eine Ordnungswidrigkeit.
- Anordnung privater Tätigkeiten: Ein Arbeitgeber ordnet an, dass ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit private Besorgungen für ihn erledigt.
- Mobbingähnliche Weisungen: Unzulässige Weisungen liegen zum Beispiel vor, wenn ein Mitarbeiter gezielt unangemessenen oder degradierenden Aufgaben ausgesetzt wird – etwa durch wiederholte Zuweisung zu “Strafarbeiten” in unbeheizten Räumen.
In all diesen Fällen ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers deutlich überschritten.
Was passiert, wenn sich Mitarbeiter den Weisungen widersetzen?
Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, eine Weisung sei unbillig und sie diese nicht befolgen möchten, empfiehlt sich zunächst ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber.
Wenn beide Parteien keine Lösung finden, und es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, ist dieser hinzuzuziehen. Auch lohnt es sich, arbeitsrechtlichen Rat einzuholen. Je nach Art des Falles entscheidet eine Klage auf Feststellung, ob eine Weisung billig oder unbillig ist.
Wenn sich im Einzelfall im Nachhinein herausstellt, dass ein Mitarbeiter unwissentlich unbillige Weisungen befolgt hat, hat er unter Umständen Anspruch auf Schadenersatz.
Was gilt für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats?
Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt und dieser Beteiligungsrechte wahrnimmt, muss auch er im Rahmen billigen Ermessens handeln. Ebenso wie der Arbeitgeber muss der Betriebsrat gemäß § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dafür Sorge tragen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Wenn die Betriebsvereinbarung einem anwendbaren Tarifvertrag unterliegt, gelten die dort definierten Rechte und Pflichten. In strittigen Fällen vermittelt der Betriebsrat zunächst zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitern.
Welche Regeln gelten für das Verhalten im Betrieb?
Doch wer entscheidet bei Fragen des Verhaltens der Arbeitnehmer? In der Regel legen die Geschäftsführung und das Human Resources Management bestimmte Verhaltensrichtlinien für die Mitarbeiter fest. Diese sind in der Betriebsvereinbarung festgelegt und finden in der täglichen Personalführung Anwendung. Beanstandungen am Verhalten eines Mitarbeiters tragen andere Personen im Unternehmen in der Praxis meist über Feedback-Gespräche oder sogenannte Whistleblowing-Systeme an Human Resources heran. Nach einer Prüfung ergreift HR dann im Zweifelsfall disziplinarische Maßnahmen, die von einer Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung reichen.