Freiwillige Betriebsvereinbarung versus erzwingbare Betriebsvereinbarung
Im Arbeitsrecht unterscheidet man zwischen erzwingbaren Betriebsvereinbarungen auf der einen und freiwilligen Betriebsvereinbarungen auf der anderen Seite. Eine Betriebsvereinbarung ist erzwingbar, wenn es um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten geht und der Arbeitgeber sich weigert, eine Betriebsvereinbarung aufzusetzen. Mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten sind Themen, bei denen die Zustimmung des Betriebsrats notwendig ist. Eine erzwungene Betriebsvereinbarung ist beispielsweise bei Personalfragen, Regelungen zu Arbeitszeiten und Zeiterfassung sowie sozialen Angelegenheiten möglich. Insbesondere wichtig bei der Zeiterfassung: Betriebsrat mit einbeziehen, da es für ihnhäufig ein zentrales Thema ist.
So kann der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung erzwingen
Wenn sich der Arbeitgeber weigert, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, kann der Betriebsrat diese erzwingen. Vorausgesetzt, es geht um Themen, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Doch wie funktioniert das in der Praxis? Bei erzwingbaren Betriebsvereinbarungen wird eine sogenannte Einigungsstelle bemüht. Vorsitzende einer solchen Einigungsstelle gehören nicht dem Unternehmen an und sind unparteiisch – häufig übernehmen Arbeitsrichter eine entsprechende Funktion. Die Zustimmung der Einigungsstelle ersetzt in diesem Fall die notwendige Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Das gilt für freiwillige Betriebsvereinbarungen
Freiwillige Betriebsvereinbarungen betreffen Belange, bei denen der Betriebsrat üblicherweise nicht mitbestimmungspflichtig ist. Sie sind unter § 88 BetrVG geregelt. Inhalte einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung sind beispielsweise die Einrichtung eines betrieblichen Kindergartens oder betriebliche Umweltschutzmaßnahmen. Da sie freiwillig sind, können entsprechende Betriebsvereinbarungen sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Betriebsrat abgelehnt werden.
Gesetzliche Grundlage: Betriebsrat muss zustimmen
- 87 BetrVG legt fest, bei welchen Angelegenheiten der Betriebsrat mitbestimmungspflichtig ist. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umfassen beispielsweise:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, einschließlich Pausen
- Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
- Vorübergehende Verkürzungen oder Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit
- Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte
Kann ein Arbeitnehmer gegen die Betriebsvereinbarung vorgehen?
Aus der Betriebsvereinbarung ergeben sich Pflichten, aber auch viele Rechte für Arbeitnehmer. Selbst wenn ein Mitarbeiter diese nicht in Anspruch nehmen möchte, kann er nach § 77 Abs. 4 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats darauf verzichten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn bei einer betriebsbedingten Kündigung ein Sozialplan greift, der Mitarbeiter sich jedoch beruflich komplett umorientieren möchte.
Kann eine Betriebsvereinbarung nachträglich geändert oder gekündigt werden?
Nach § 77 Absatz 5 BetrVG sind Betriebsvereinbarungen analog zu regulären Verträgen mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündbar. Betriebsrat und Arbeitgeber haben jedoch die Möglichkeit, einvernehmlich abweichende Fristen zu vereinbaren, wodurch die Betriebsvereinbarung durch Kündigung endet.
Zudem kann eine Betriebsvereinbarung im Nachhinein durch einen Beschluss des Betriebsrats angepasst werden. Dabei ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob eine Anpassung der Betriebsvereinbarung oder ein Neuabschluss sinnvoller ist.
Betriebsvereinbarungen: Regeln gelten für bestimmte Mitarbeitergruppen
Eine Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich für das Unternehmen, für das sie abgeschlossen wurde. Sie hat im Gegensatz zu Tarifverträgen keine externe Wirkung auf andere Unternehmen. Eine Betriebsvereinbarung kann entweder für alle beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG oder für bestimmte Unternehmensbereiche und deren Mitarbeiter gelten. Für alle betroffenen Arbeitnehmer hat die Betriebsvereinbarung eine normative Wirkung und ist damit rechtswirksam.
Leitende Angestellte, wie beispielsweise Geschäftsführer oder Prokuristen, gelten nach § 5 Abs. 3 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. Daher fallen sie nicht unter den Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen.
Wo liegt der Unterschied zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung?
Eine Betriebsvereinbarung und ein Tarifvertrag sind sich vom Aufbau und Inhalt her sehr ähnlich. Im Gegensatz zum Tarifvertrag hat eine Betriebsvereinbarung jedoch keine überbetriebliche Geltung. Tarifverträge haben grundsätzlich Vorrang vor Betriebsvereinbarungen. Enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel oder weicht die vertragliche Regelung zugunsten der Arbeitnehmer ab, dürfen Betriebsvereinbarungen die Mitarbeiter besser stellen.
Was besagt das Günstigkeitsprinzip?
Das sogenannte Günstigkeitsprinzip besagt, dass ein Tarifvertrag keine für die Mitarbeiter ungünstigeren Regelungen enthalten darf als ein Gesetz. Ebenso darf eine Betriebsvereinbarung die Arbeitnehmer nur begünstigen, nicht aber schlechter stellen als bestehende Tarifverträge und Gesetze. Zudem wird ein Anspruch des Mitarbeiters durch eine betriebliche Übung nur von einer vorteilhafteren Betriebsvereinbarung verdrängt.
Wie stellt der Arbeitgeber sicher, dass alle Mitarbeiter die Betriebsvereinbarung kennen?
In der Regel erhalten neue Mitarbeiter die jeweils gültige Betriebsvereinbarung zusammen mit ihrem Arbeitsvertrag ausgehändigt. Generell sollten Unternehmen sicherstellen, dass alle geltenden Betriebsvereinbarungen sowohl analog als auch digital gut zugänglich sind, damit jeder Einsicht nehmen kann. So kann das Unternehmen die Betriebsvereinbarung beispielsweise in der Kantine aushängen und im Intranet schnell abrufbar machen.