Überstunden auszahlen: Was erlaubt ist und was nicht

Die Arbeit häuft sich, Kollegen fallen aus, und oft reicht die reguläre Arbeitszeit nicht aus – Überstunden sind in vielen Berufen unvermeidlich. Je nach Vereinbarung können geleistete Arbeit und Überstunden entweder mit Freizeit ausgeglichen oder durch eine Auszahlung der Überstunden vergütet werden. Doch wann darf ein Arbeitgeber Überstunden auszahlen. Und welche Vorschriften gelten dabei?
Unternehmen sind gesetzlich zur Zeiterfassung verpflichtet
Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sind Unternehmen mit einer Belegschaft ab 10 Mitarbeitern zur Personalzeiterfassung verpflichtet. Was sich selbstverständlich auf die Erfassung von Überstunden auswirkt. Darum setzen immer mehr Betriebe auf Zeiterfassung-Software. Dabei tragen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitszeiten in digitale Zeiterfassungssysteme ein. Die digitale Zeiterfassung bietet für die Betriebe selbst zahlreiche Vorteile. Wie zum Beispiel, dass die Software automatisch die Soll- und Ist-Arbeitszeiten ausrechnet. So wissen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, inwiefern Mitarbeiter die vertraglich vereinbarte Zeit gearbeitet haben.
So werden in der Praxis die Überstunden ermittelt
Erfolgt die Zeiterfassung online, zeigen sich auch direkt die erbrachten Überstunden. Doch wann zählen Arbeitsstunden eigentlich als Überstunden? Bei vielen Anstellungsverhältnissen wird ein Stundenkontingent im Arbeitsvertrag vereinbart. Wird dieses Stundenkontingent überschritten, fallen Überstunden an.
In Deutschland gibt es die Unterscheidung zwischen einer Beschäftigung in Vollzeit oder Teilzeit, was im Arbeits- oder Tarifvertrag entsprechend vermerkt ist. Während eine Vollzeitstelle aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den regulären Arbeitsumfang von 40 Stunden die Woche nicht überschreiten darf, ist von einer Teilzeitbeschäftigung die Rede, wenn die wöchentliche Arbeitszeit bei unter 30 Stunden liegt. Die tägliche Arbeitszeit beträgt dabei bis zu 8 Stunden und kann nur nach betrieblicher Anordnung durch Überstunden und einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag kurzfristig auf bis zu 10 Stunden pro Tag erhöht werden. Voraussetzung für diese Erhöhung ist allerdings, dass die Überstunden innerhalb der nächsten 6 Monate durch einen Freizeitausgleich oder eine vereinbarte Vergütung kompensiert werden.
Darf ein Arbeitgeber die Arbeitszeit willkürlich erhöhen?
Nein. Zwar gibt es zahlreiche gute Gründe, um Überstunden zu leisten. So reichen sie von personellen Engpässen bis hin zu verderblichen Waren, die schnell verarbeitet werden müssen. Doch selbst in stressigen Zeiten mit hoher Arbeitslast ist ein Unternehmen verpflichtet, Überstunden fair zwischen den Arbeitnehmern zu verteilen. Und auch wenn Überstunden anfallen, müssen Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten stets einhalten.
Was zählt zur Arbeitszeit?
Nach dem Arbeitszeitgesetz zählt als Arbeitszeit jene Zeit, in der Arbeitnehmer ihrem Unternehmen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Nicht eingerechnet sind in diesem Zusammenhang die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen. §4 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) regelt, dass Mitarbeiter, die täglich über 6 Stunden arbeiten, mindestens 30 Minuten Pause machen müssen. Ab 9 Stunden ist eine Mindestpause von 45 Minuten vorgesehen.
Wann werden aus Arbeitszeitstunden Überstunden?
Wie viele Überstunden sind also zulässig bei einer 40-Stunden-Woche? Nach dem Arbeitszeitgesetz sind Arbeitgeber unter bestimmten Umständen dazu berechtigt, Überstunden anzuordnen. Doch selbst dann darf die tägliche Gesamtarbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten. Hat ein Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag über täglich 8 Stunden abgeschlossen, arbeitet er jedoch 9 Stunden pro Tag, werden pro Woche 5 Überstunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.
Wichtig: Auch im Falle möglicher Überstunden müssen grundsätzlich mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen einzelnen Arbeitseinsätzen liegen. Diese Regelung dient insbesondere dem Schutz der Arbeitnehmer. In einigen Branchen, etwa im Verkehrs- und Transportwesen, betrifft dies auch die allgemeine Sicherheit.
Gibt es eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Überstunden?
Der jeweilige Arbeits- oder Tarifvertrag regelt den Umgang mit Überstunden und Überstundenabbau individuell. Allerdings gibt es einige rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten.
Überstunden mit dem Gehalt abgegolten: Ist das rechtens?
Die Vergütung von Überstunden erfolgt in der Regel im Rahmen der Lohnabrechnung. Einige Arbeitsverträge enthalten jedoch auch heute noch die Klausel “Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten”. Doch ist das rechtens? In der Praxis haben Arbeitsgerichte dies bereits häufig verneint. So etwa in dem bekannten Überstunden-Urteil 5 AZR 517/09 des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2010. Dort hatte das Gericht eine
Pauschalabgeltung von Überstunden für unwirksam erklärt, da die Formulierung nicht transparent genug war. Stattdessen müssen Überstunden konkret definiert und angeordnet werden und dürfen 10% der wöchentlichen Arbeitszeit nicht übersteigen.
Wann ist eine Auszahlung von Überstunden erlaubt?
Für Mitarbeiter ist es sinnvoll, ihr Arbeitszeitkonto im Blick zu behalten, um ihre Überstunden zu berechnen. Sich Überstunden auszahlen zu lassen, kann eine gute Möglichkeit sein, um Lohn und Gehalt aufzubessern. Wenn Transparenz und die rechtlichen Grundlagen rund um die Zusatzarbeit eingehalten werden, steht einem Freizeitausgleich oder einer Auszahlung der Überstunden im Rahmen der Lohnbuchhaltung nichts im Weg. Nutzen Unternehmen eine Payroll-Software, erleichtern sie sich zusätzlich die Auszahlung von Überstunden. Einen rechtlichen Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden gibt es allerdings nicht.
Steuern bei Überstunden: Das gilt
Wenn Überstunden ausgezahlt werden, stellt sich schnell die Frage nach der Versteuerung. Wie also werden Überstunden versteuert? Steuerlich handelt es sich bei ausgezahlten Überstunden um regulären Arbeitslohn. Es fallen also die gleichen Steuern und Abgaben wie beim regulären Gehalt an.
Können Überstunden verfallen?
Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto können grundsätzlich nicht verfallen. Wenn es kein Arbeitszeitkonto gibt, gilt die 3-jährige Verjährungsfrist. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitsvertrag eine individuelle Regelung vorsieht. Viele Arbeits- und Tarifverträge beinhalten sogenannte Ausschluss- und Verfallfristen. Diese besagen, dass Mitarbeiter ihre Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend machen müssen.
Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?
In der Praxis wird teilweise zwischen Überstunden und Mehrarbeit unterschieden. Arbeitsrechtlich beschreibt Mehrarbeit Arbeitsstunden, die über die gesetzlich festgelegte Höchstarbeitszeit hinausgehen. In Deutschland beträgt die Höchstarbeitszeit gemäß §3 ArbZG in der Regel 8 Stunden pro Werktag. Arbeitet ein Mitarbeiter mehr als 8 Stunden am Tag, spricht man von Mehrarbeit.
Überstunden hingegen bezeichnen Arbeitsstunden, die über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen: Beträgt beispielsweise die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von Herrn Müller 38 Stunden pro Woche, er arbeitet tatsächlich jedoch 40 Stunden, dann ergibt das 2 Überstunden. Der wesentliche Unterschied zur Mehrarbeit besteht in diesem Beispiel darin, dass Überstunden zwar die im Arbeitsvertrag definierte Arbeitszeit von Herrn Müller überschreiten, nicht unbedingt jedoch die gesetzliche Höchstarbeitszeit.
Ausbezahlte Überstunden: Darum sollten sie eine Ausnahme sein
Ob Überstunden ausgezahlt werden oder nicht: Allein wegen des Arbeitnehmerschutzes sollte Überstunden zu leisten eine Ausnahme sein. Viele Studien zeigen, wie wichtig Pausen und Ruhezeiten sind, damit Mitarbeiter Energie tanken können und so langfristig gesund bleiben. Das kommt letztendlich auch der Produktivität und dem Betriebsklima zugute. Denn: Jede geleistete Überstunde erhöht die tägliche Arbeitszeit und fehlt den Mitarbeitern somit bei der Regeneration. Je nach Anzahl der Überstunden kann sich das auf Dauer auf die seelische und körperliche Gesundheit der Mitarbeiter auswirken. Je nachdem, welche Vereinbarung getroffen wurde, ist es für viele Arbeitnehmer dennoch gut zu wissen, dass sie im Falle unvermeidbarer Zusatzarbeit auf einen Geld- oder Freizeitausgleich zählen können. In der Praxis ist die Auszahlung von Überstunden für Unternehmen durch die digitale Entgeltabrechnung völlig unkompliziert.
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Disclaimer
Die Inhalte dieses Beitrags sind sorgfältig recherchiert, stellen jedoch keine Rechtsberatung dar. Bitte wenden Sie sich bei konkreten rechtlichen Fragen an einen spezialisierten Fachanwalt.