Kündigung wegen Krankheit: Diese Regeln gelten

Wenn Mitarbeiter häufig krank sind, stellt dies eine große Belastung für Arbeitgeber dar. Doch darf in Deutschland jemand wegen Krankheit gekündigt werden? Stehen die Interessen des Arbeitgebers im Zweifel über dem Schutz der Mitarbeiter? Und: Können häufige Kurzerkrankungen zur Kündigung durch den Arbeitgeber führen?
Kündigung bei Krankheit: Wie lange darf man krankgeschrieben sein?
Kann man wegen Krankheit gekündigt werden? Immer wieder stellen sich Arbeitnehmer diese Frage. Krank sein ist menschlich – auch das beste Immunsystem tritt dann und wann in den Streik. Doch wie viele Krankheitstage sind normal? Wie oft darf man krank sein, ohne dass berufliche Konsequenzen drohen und Lohn und Gehalt in Gefahr sind? Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Beschäftigte in Deutschland 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krank. In dieser Zeit stehen die erkrankten Mitarbeiter weiterhin auf der Payroll ihres Arbeitgebers und haben im Rahmen der Lohnfortzahlung Anspruch auf ihr Bruttogehalt in voller Höhe. Die Anzahl der Krankentage wird dabei nicht auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen.
6 Wochen krank: Droht die krankheitsbedingte Kündigung?
Mit Blick auf die Krankheitstage macht es natürlich einen großen Unterschied, welche Diagnose ein Arbeitnehmer erhalten hat und wie kräftezehrend die Therapie ist. Als langzeitkrank oder dauerkrank gelten Mitarbeiter dann, wenn sie über einen längeren Zeitraum von über 73 Tagen ununterbrochen arbeitsunfähig sind und dem Unternehmen nicht zur Verfügung stehen.
Wer gesetzlich versichert ist und am Stück länger als 6 Wochen krank ist, bezieht Krankengeld. Auch wenn die Krankenkasse bei einer längeren Krankschreibung zunächst die Bezahlung des Mitarbeiters übernimmt, bleibt er formal Angestellter des Unternehmens – auch wenn die Gehaltsabrechnung entfällt. Doch genießt der erkrankte Mitarbeiter auch unbegrenzten Kündigungsschutz? Nein. Unter bestimmten Umständen kann seitens des Unternehmens eine Kündigung des Mitarbeiters erfolgen.
Kündigung während einer Krankheit? Mögliche Gründe
Je nach Fall, gibt es manchmal schon vor der Krankschreibung Probleme zwischen Firma und Mitarbeiter, das Unternehmen hat existenzielle Schwierigkeiten oder ein Angestellter ist aufgrund von Krankheit in Zukunft nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit auszuführen und eine Umbesetzung ist nicht möglich: Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Unternehmen einem erkrankten Kollegen kündigen muss oder möchte. Die Krankheit könnte der Grund für die Kündigung sein, muss es aber nicht. Eventuell existieren die Gründe bereits vor der Erkrankung des Mitarbeiters. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob der betroffene Mitarbeiter die Kündigung akzeptieren muss oder rechtliche Schritte dagegen einleiten kann. Erfolgt der Ausspruch der Kündigung dann in einem Zeitraum, in dem der Mitarbeiter krankgeschrieben ist, hat die Krankschreibung keine aufschiebende Wirkung.
Krank in der Probezeit: Ein Grund für die Kündigung?
Eine länger andauernde Krankheit in der Probezeit ist sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber herausfordernd. Da in dieser Phase meist eine verkürzte Kündigungsfrist gilt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch während der Krankheit beenden – es besteht kein besonderer Kündigungsschutz. Allerdings darf die Kündigung nicht allein aufgrund der Erkrankung erfolgen, sondern muss auf sachlichen Gründen basieren. Zudem haben Arbeitnehmer in der Regel Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens 4 Wochen bestanden hat. Dabei hilft ein frühzeitiges Gespräch mit dem Arbeitgeber, um Missverständnisse zu vermeiden und mögliche Lösungen zu finden.
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Ob eine Kündigung legitim ist, hängt davon ab, ob sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, insbesondere im Hinblick auf den Kündigungsschutz. Dabei hängt die Frage, ob ein Mitarbeiter Kündigungsschutz genießt oder nicht, von verschiedenen Faktoren ab – darunter die Betriebsgröße und die Dauer des Arbeitsverhältnisses. In Deutschland gibt es das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das KSchG gilt für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die länger als 6 Monate in einem Unternehmen beschäftigt sind, das mindestens 11 Mitarbeiter hat. Arbeitnehmer, die erkrankt sind und Kündigungsschutz genießen, können nur gekündigt werden, wenn die Kündigung personen- oder verhaltensbedingt begründet ist oder das Unternehmen aus betrieblichen Gründen Mitarbeiter entlassen muss. Das Unternehmen informiert in diesen Fällen vorab den Betriebsrat, sofern dieser vorhanden ist.
Welche Kündigungsarten gelten während einer Krankschreibung?
Im deutschen Arbeitsrecht wird grundsätzlich zwischen der ordentlichen Kündigung mit Kündigungsfristen und der fristlosen Kündigung unterschieden. Eine ordentliche Kündigung kann verschiedene Formen annehmen, darunter die personenbedingte Kündigung, die verhaltensbedingte Kündigung oder die betriebsbedingte Kündigung. Die häufigste Form der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung.
Kündigungen wegen Krankheit haben hohe Hürden
Kündigungen können auch während einer bestehenden Krankheit ausgesprochen werden. Dabei gelten die vertraglich vereinbarten bzw. in §622 BGB gesetzlich definierten Kündigungsfristen. Eine vorherige Abmahnung ist nicht immer notwendig bzw. möglich. Die Wirksamkeit ist juristisch im Einzelfall zu prüfen. Die Hürden, wenn ein Unternehmen einen Mitarbeiter während einer Krankheit ordentlich oder außerordentlich kündigen möchte, sind relativ hoch und die Beweislast liegt beim Unternehmen. So muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Fehlzeiten, die durch die Krankheit des Mitarbeiters entstehen, die betrieblichen Abläufe erheblich stören und zu finanziellen Belastungen führen.
Die personenbedingte Kündigung
Bei einer personenbedingten Kündigung liegt der Grund für die Kündigung in der Person des Mitarbeiters. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Eigenschaften oder Fähigkeiten dauerhaft nicht in der Lage, die vertraglich vereinbarten Aufgaben zu erfüllen. Bei einer Kündigung im Krankenstand ist es unerheblich, ob der Mitarbeiter die Krankheit selbst verschuldet hat oder nicht. Letzteres trifft im Falle einer Erkrankung zu.
Die krankheitsbedingte Kündigung
Die krankheitsbedingte Kündigung stellt eine spezielle Form der personenbedingten Kündigung dar. In der Praxis wird eine krankheitsbedingte Kündigung in der Regel ausgesprochen, wenn Arbeitnehmer immer wieder kurzfristig erkranken und dem Unternehmen regelmäßig einige Tage oder Wochen nicht zur Verfügung stehen. Der Grund liegt auf der Hand: Häufige Ausfälle können die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigen oder betriebliche Abläufe, die auf seine Mitarbeit angewiesen sind, nachhaltig stören. Spricht ein Unternehmen während einer bestehenden Krankheit und bei vorliegender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine krankheitsbedingte Kündigung aus, werden unter Berücksichtigung sozialer Aspekte verschiedene Kriterien geprüft, bevor die Kündigung wirksam wird.
Kündigung wegen Krankheit: Typische Fallkonstellationen
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung unterscheiden Arbeitsgerichte 4 typische Konstellationen, die im Einzelfall juristisch geprüft werden:
1. Fall: Häufige Kurzerkrankungen
Herr Müller hat ein schwaches Immunsystem. 2023 war er deshalb immer wieder für einige Tage oder Wochen arbeitsunfähig erkrankt, sodass seine Gesamtfehlzeit über 50 Werktage bzw. 10 Wochen betrug. In dem 15-Personen-Betrieb, in dem er arbeitet, kam es so zu großen Verzögerungen, da niemand kurzfristig seine Aufgaben übernehmen konnte. Sein Arbeitgeber kündigte Herrn Müller ordentlich, da er das Ausmaß der Fehlzeiten nicht hinnehmen konnte.
2. Fall: Arbeitsunfähigkeit dauert an
Die angestellte Lehrerin Frau Carsten arbeitet an einer Brennpunktschule in Berlin. 2022 wird sie wegen anhaltender Erschöpfung krankgeschrieben. Nach 8 Monaten kündigt die Schule Frau Carstens nach Rücksprache. Es herrscht Einigkeit, dass Frau Carstens aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die Schule zurückkehren kann.
3. Fall: Langwierige Krankheit
Der Lagerist Herr Feldmann ist nach einem schweren Bandscheibenvorfall mehrere Monate krankgeschrieben. Obwohl noch nicht sicher ist, ob er eines Tages wieder in seinem Beruf arbeiten kann, kündigt sein Arbeitgeber Herrn Feldmann ordentlich, da er die Stelle nicht freihalten kann und eine Rückkehr des Mitarbeiters ungewiss ist.
4. Fall: Leistungsminderung wegen Krankheit
Die Büroassistenz Frau Siemers leidet unter starker Migräne, die sie teilweise wochenlang außer Gefecht setzt. Besonders auf Geräusche reagiert sie sehr empfindlich. Dass es im Großraumbüro ohne Ausweichmöglichkeit trubelig zugeht, verstärkt das ihre Symptome. Frau Siemers leidet und hat große Schwierigkeiten, ihrer Tätigkeit unter den gegebenen Umständen nachzugehen. Der Arbeitgeber kündigt nach einem Jahr ordentlich.
Die verhaltensbedingte Kündigung
Erhält ein Mitarbeiter in Deutschland eine verhaltensbedingte Kündigung, wird ihm Fehlverhalten mit einer negativen Prognose zur Last gelegt. Bei dem angezeigten Fehlverhalten kann es sich etwa um Diebstahl, Arbeitsverweigerung, Alkoholkonsum, Mobbing und Beleidigungen handeln. Der Arbeitgeber geht im Falle der verhaltensbedingten Kündigung von einer negativen Prognose aus. Das bedeutet, dass davon auszugehen ist, dass der Mitarbeiter sein Verhalten in der Zukunft nicht ändern wird. Erhält ein Mitarbeiter während einer längeren Krankschreibung eine Kündigung, weil der Arbeitgeber Kenntnis von grobem Fehlverhalten bekommen hat, ist auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung oder gar eine fristlose Kündigung unter Umständen wirksam.
Die betriebsbedingte Kündigung während einer Krankheit
Manchmal muss ein Unternehmen Mitarbeitern während einer längeren Krankschreibung auch aus betrieblichen Gründen kündigen. Das kann etwa der Fall sein, wenn Umsätze massiv eingebrochen sind oder das Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht. Ob im Falle eines betroffenen Mitarbeiters die Kündigung während des Krankengeldbezugs rechtmäßig ist oder ob die Kündigung unwirksam ist, wird im Einzelfall unter sozialen Gesichtspunkten genau geprüft.
Kündigung wegen Krankheit: Sperrfristen vermeiden
Auch aus der Sicht von Arbeitnehmern kann eine Kündigung aus gesundheitlichen Gründen notwendig sein. Gesundheitsbedingt kann eine Kündigung sein, wenn die körperliche oder psychische Belastung durch die ausgeübte Tätigkeit zu groß ist. Beschäftigte, die bei eigener Kündigung wegen Krankheit eine Sperre beim Arbeitslosengeld verhindern möchten, müssen ein ärztliches Attest vorlegen. Mitarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen kündigen, können dann unter Umständen von der Sperrfrist befreit sein und direkt im Anschluss an die Kündigungsfrist Arbeitslosengeld beziehen.
42 Tage krank im Jahr rechtfertigt keine fristlose Kündigung
Doch wie sieht es mit einer fristlosen Kündigung bei vielen krankheitsbedingten Fehltagen aus? Tatsächlich ist eine fristlose Kündigung nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten eines Mitarbeiters möglich. Eine ärztlich bestätigte Erkrankung ist kein Grund. Das zeigt auch das folgende Beispiel: Nach der Probezeit meldet sich ein Mitarbeiter mehrmals im Monat krank. Im darauf folgenden Halbjahr erreicht sein Krankenstand 42 Tage. Über soziale Netzwerke erfährt der Arbeitgeber von ausschweifenden Feiern und Reisen während dieser Zeit. Das Unternehmen kündigt dem Mitarbeiter fristlos. Die Kündigung wird vom Arbeitsgericht bestätigt. Allerdings nicht wegen der vielen Fehltage, sondern weil das Unternehmen dem Mitarbeiter ein sogenanntes “genesungswidriges Verhalten” nachweisen kann.
Die Kündigung während Krankheit ist möglich, aber schwierig
Ob der Arbeitgeber wegen Krankheit des Mitarbeiters eine Kündigung aussprechen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich ist ein Mitarbeiter während einer Erkrankung nicht vor einer möglichen Kündigung geschützt. Jedoch sind durch den bestehenden gesetzlichen Kündigungsschutz die Hürden für eine Kündigung hoch. Der Arbeitgeber kann zwar eine Kündigung aussprechen und begründen, muss jedoch nachweisen, dass die Interessen des Unternehmens im Einzelfall schwerer wiegen als die des Mitarbeiters. Zudem muss er belegen, dass keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den Mitarbeiter bestehen. Auch eine Eigenkündigung wegen einer Krankheit kommt in der Praxis häufig vor, wenn Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz als gesundheitliche Belastung wahrnehmen. Ein ärztliches Gutachten kann beim selbst kündigen während Krankheit vor Sperrfristen des Arbeitsamtes schützen. Mitarbeiter sollten vorher unbedingt ihre Kündigungsfrist berechnen.
Damit es im Zweifel gar nicht erst zu einer Kündigung kommen muss, sind für viele Unternehmen heute New Work und New Pay Modelle interessant. Neben Gehaltstransparenz und Partizipation stehen sie insbesondere für viel Flexibilität und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse. Im persönlichen Gespräch können Unternehmen und Mitarbeiter Möglichkeiten eruieren, wie flexible Arbeitsorte und Arbeitszeiten zur Entlastung und Genesung des Mitarbeiters beitragen können. Dann ist eine Kündigung, die oft mit einer kostspieligen juristischen Auseinandersetzung einhergeht, unter Umständen gar nicht nötig.
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Disclaimer
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