Quiet Vacationing: So gehen Unternehmen gegen heimlichen Urlaub vor
Mindestens 20 Tage – und viele Unternehmen gewähren sogar mehr: Im internationalen Vergleich sind Arbeitnehmer in Deutschland in puncto Erholungsurlaub gut aufgestellt. Und doch sind die Tage oft schnell verbraucht, der Wunsch nach Erholung ist groß. So mancher Mitarbeiter kommt dann auf die Idee, sein Urlaubsbudget eigenmächtig durch sogenanntes Quiet Vacationing zu strecken. Ein Überblick, was hinter dieser fragwürdigen Praxis steckt und wie Unternehmen dagegen vorgehen können.
Was ist eine Quiet Vacation?
Eine Quiet Vacation bezeichnet eine Abwesenheit, die nicht als solche angemeldet ist. „Quiet Vacationing“, was auf Deutsch so viel wie „stilles Urlaub machen“ bedeutet, ist ein noch relativ junger Trendbegriff. Er beschreibt eine Praxis, in der Angestellte heimlich Urlaub nehmen, ohne es offiziell im Unternehmen oder bei ihren Vorgesetzten zu melden.
Quiet Vacations sind dabei eng verwandt mit dem sogenannten Absentismus, bei dem Mitarbeiter einfach fehlen. Beide Phänomene stellen eine Art Arbeitszeitbetrug dar. Meist fällt Quiet Vacationing im Rahmen der Arbeitszeiterfassung auf. Je nach Tätigkeit, Teameinbindung und Verantwortungsbereich fällt Quiet Vacationing nicht unmittelbar auf.
Quiet Vacationing in der Praxis
Mitarbeiter, die Quiet Vacationing betreiben, arbeiten in dieser Zeit nicht. Nach außen hin wahren sie jedoch häufig den Anschein, erreichbar oder beschäftigt zu sein. So stellen sie etwa im Firmen-Messenger ihre Statusanzeigen auf „online“, automatisieren E-Mails oder versenden diese zeitversetzt, damit es wirkt, als würden sie arbeiten.
Mangelnde Erreichbarkeit erklären sie durch spontane oder zufällig kollidierende Termine. Manche Arbeitnehmer nutzen Quiet Vacationing, um kurze Auszeiten oder Mini-Urlaube zu machen, ohne Urlaubstage zu „verbrauchen“ oder Aufmerksamkeit zu erregen.
So sabotiert Quiet Vacationing die betriebliche Urlaubsplanung
Human Resources und die jeweiligen Fachabteilungen sind in der Regel schon frühzeitig mit der Urlaubsplanung für das kommende Jahr beschäftigt. Sie organisieren Vertretungen und fachliche Übergaben möglichst detailliert. Wenn dann vereinzelte Mitarbeiter eigenmächtig Urlaub nehmen, bleibt Arbeit liegen oder die Arbeitslast ist zum Nachteil der Kollegen ungleich verteilt. Wichtige Prozesse werden so im Zweifel unterbrochen, der Frust unter den Kollegen steigt und das Vertrauen ist schwer belastet.
Darum entscheiden sich Menschen für Quiet Vacationing
Quiet Vacationing kann in Unternehmen in Einzelfällen auftreten – oder aber es ist ein Symptom für ein größeres Problem in der Arbeitskultur. Dabei ist Quiet Vacationing ein Symptom dafür, dass Mitarbeiter im Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen Skrupel haben, einen normalen Urlaubsantrag zu stellen. Die Gründe dafür sind von Mensch zu Mensch verschieden. Beispiele können sein:
Ein schlechtes Arbeitsklima
Das Arbeitsklima ist eines der wertvollsten Argumente, die für ein Unternehmen als guten Arbeitgeber sprechen. Es lebt von Wertschätzung, einer offenen Kommunikationskultur und einer gesunden Arbeitslast. Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, dass sie sich buchstäblich verstecken müssen, um sich zu erholen oder sich durch Quiet Vacations ihrer Tätigkeit entziehen, stimmt etwas im Unternehmen nicht.
Ein gesunder Umgang mit Urlaub und Erholung ist langfristig für alle Seiten die bessere Alternative. HR-Verantwortliche sollten deshalb grundsätzlich alarmiert sein, wenn Quiet Vacationing entdeckt wird. Durch eine offene, transparente Urlaubskultur können viele Unternehmen dem Phänomen aktiv vorbeugen.
Angst, dass das Erholungsbedürfnis negativ wahrgenommen wird
Manchmal ist es schlichtweg die Angst vor Unverständnis oder Nachteilen in der eigenen Karriere, weshalb Arbeitnehmer Quiet Vacationing einem regulären Urlaubsantrag vorziehen. Der Gedanke: Gerade in stressigen Zeiten könnte es verpönt sein, Urlaub zu nehmen und als Zeichen von mangelndem Fleiß gesehen werden.
Wenn man bedenkt, dass gerade diese Peaks Mitarbeitern kräftetechnisch viel abfordern, macht es als Unternehmen Sinn, gegenzusteuern: Offene Urlaubskalender, in die Führungskräfte und Mitarbeiter aller Hierarchiestufen regelmäßig ihre Abwesenheiten eintragen, und schnelle Freigabeverfahren stärken das Vertrauen der Belegschaft.
Mangelnde Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber
Einige Mitarbeiter sind nicht zufrieden mit ihrem Arbeitgeber oder nehmen die Work-Life-Balance und damit das Verhältnis aus Beruflichem und Privatem als schlecht wahr. Gegenüber ihrem Arbeitgeber empfinden sie wenig Loyalität und zögern nicht, eine Krankmeldung zu übermitteln, auch wenn es vielleicht gar nicht so ernst um die Gesundheit bestellt ist. Auch Quiet Vacationing liegt da nicht fern – solange der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin meint, nicht erwischt zu werden. Nicht immer wissen HR-Manager, wie es um die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter bestellt ist. Auch hier sind regelmäßige Abfragen wichtig und wertvoll.
Das Bedürfnis nach Erholung ist zu groß
Laut Bundesurlaubsgesetz haben Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf mindestens 20 Tage bezahlten Erholungsurlaub – berechnet auf eine 5-Tage-Woche. Im internationalen Vergleich ist das viel. Wenn man jedoch bedenkt, wie schnelllebig unsere hochtechnologisierte Arbeitswelt ist, wundert es nicht, dass Menschen zwischendurch erschöpft sind. Unternehmen können an dieser Stelle punkten, wenn sie ein offenes Ohr gegenüber den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter zeigen. Im Zweifel lohnt es sich auch, proaktiv vorübergehende Teilzeitmodelle, regelmäßiges Remote Work, bei dem Fahrtwege entfallen, und Tandem-Modelle anzubieten.
Quiet Vacationing hat Konsequenzen
Wenn Mitarbeiter beim Quiet Vacationing erwischt werden, hat das in der Regel ernste Konsequenzen. Schließlich sind Quiet Vacations ein gravierender Verstoß gegen die Compliance. Ob eine Weiterbeschäftigung überhaupt möglich ist oder eine Abmahnung bzw. eine Kündigung auf den Verstoß folgt, kommt zu einem Großteil darauf an, ob das Unternehmen generell mit der Leistung und dem Auftreten des Mitarbeiters zufrieden ist und Potenzial in ihm sieht.
In diesen Fällen ist eine fristlose Kündigung möglich
Ob in schweren bzw. wiederholten Fällen von Quiet Vacationing eine ordentliche Kündigung oder gar eine fristlose Kündigung angebracht ist, kommt stark auf den jeweiligen Einzelfall sowie die Dauer, Wiederholung und Vorgeschichte an. Bei einer fristlosen Kündigung sind die Gründe so gravierend, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht greift. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Mitarbeiter wiederholt unerlaubt urlauben oder diesen Urlaub gar öffentlich kommunizieren. Grundsätzlich stellt Quiet Vacationing einen massiven Vertrauensbruch dar und kann für Unternehmen ernste wirtschaftliche Folgen haben.
Lösungen für den Umgang mit Quiet Vacationing
Im besten Fall kommt es vor diesen Maßnahmen zu einem Gespräch zwischen Mitarbeiter und Unternehmen. Dabei besprechen beide Parteien die Gründe für das Quiet Vacationing und mögliche Alternativen. Die naheliegendste Lösung ist dabei eine Entschuldigung des betroffenen Mitarbeiters und die Verrechnung der fälschlich genommenen Tage mit zukünftigem Urlaubsanspruch. Auch unbezahlter Urlaub, mobiles Arbeiten oder eine Workation mit flexibler Ortswahl können Lösungsmöglichkeiten sein.
Liegt die Ursache des Quiet Vacationing schlichtweg in einem schlechten Zeitmanagement und mangelnder Planung seitens des Mitarbeiters, können Arbeitgeber ihren Angestellten bei ansonsten guter Leistung und hoher Produktivität entsprechende Schulungs- und Coachingangebote unterbreiten. Es ist jedoch essentiell, das Problem direkt anzusprechen und offen damit umzugehen. Subtile Konsequenzen wie beispielsweise Quiet Firing sind hier kontraproduktiv.
Wie verbreitet ist Quiet Vacationing wirklich?
Wie viele Menschen in Deutschland bereits Quiet Vacationing betrieben haben, ist nicht bekannt. In den USA hat eine Studie im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt: Dort hat der Out of Office Culture Report der Marktforschungsfirma The Harris Poll ergeben, dass Quiet Vacationing insbesondere unter Millennials relativ weit verbreitet ist.
Im Rahmen der Umfrage unter 1.170 erwerbstätigen US-Amerikanern gaben rund 40% der Millennials an, dass sie sich schon einmal eine unangemeldete Auszeit von der Arbeit genommen haben. Im Vergleich bestätigten nur 24% der Generationen X und Z diese Aussage. Interessant: Obwohl US-Amerikaner im Schnitt deutlich weniger Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub haben, der für deutsche Arbeitnehmer im Bundesurlaubsgesetz geregelt ist, nutzen längst nicht alle Arbeitnehmer dieses Kontingent überhaupt aus.
So unterbinden Unternehmen Quiet Vacationing
Um das Risiko heimlicher Urlaube so gering wie möglich zu halten, tun Unternehmen gut daran, eine offene und transparente Urlaubskultur zu pflegen. Mitarbeiter, die wissen, dass sie nach Rücksprache schnell eine Rückmeldung zu ihrer Urlaubsanfrage bekommen und während ihrer Abwesenheit gut vertreten sind, haben in der Regel weniger Skrupel, ihren Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Wenn Unternehmen Quiet Vacationing vermuten, empfiehlt es sich, zunächst ein persönliches Gespräch mit dem jeweiligen Mitarbeiter zu führen. Dabei lassen sich Sorgen und Befürchtungen thematisieren und im Idealfall schnell eine gute Lösung finden. Davon profitiert am Ende auch das gesamte Arbeitsklima.
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